Glücksspielregulierung in Deutschland: Wie erfolgreich ist sie wirklich?
Der Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) 2021 ist am 1. Juli in Deutschland in Kraft getreten. Das Spielen und Betreiben von Online Casinos ist nun legal, zumindest theoretisch, denn immer noch gibt es kontroverse Diskussionen im Hinblick auf die Spielangebote, die Besteuerung, die Maßnahmen für den Spielerschutz und nicht zuletzt den Lizenzierungsprozess.
Die Vorgaben des GlüStV sind äußerst restriktiv. Neben dem obligatorischen Anschluss an das Spielersperrsystem OASIS seitens der Betreiber sehen sich die Spieler in vielen Online Casinos mit Veränderungen konfrontiert, die wie folgt aussehen:
- Anbieterübergreifende Höchsteinzahlung von 1.000 Euro
- Panik-Button zur Aktivierung einer sofortigen Sperre von 24 Stunden
- Paralleles Spiel bei mehreren Anbietern oder mit mehreren Spielen nicht mehr möglich
- Maximaler Einsatz von 1 Euro beim Automatenspiel
- Fünf-Sekunden-Pause zwischen den Spielrunden
- Fünfminütige Pause nach einer Stunde Spielzeit
- Keine Autoplay Funktion
- Keine progressiven Jackpot-Spiele
- Keine klassischen Casinospiele wie Roulette und Blackjack und keine Live Casinos
Klassische Casinospiele sind Sache der Bundesländer
Klassische Casinospiele wie Roulette, Baccarat und Blackjack könnten bald wieder online verfügbar sein, denn laut dem GlüStV obliegt die Lizenzierung der Bankhalterspiele den Ländern. Doch wie soll das funktionieren?
Der GlüStV gibt vor, dass die Entscheidung, welche und wie viele Casinospiele online angeboten werden dürfen, landesrechtlichen Regelungen unterliege. Es ist davon abhängig, wie viele Lizenzen es für terrestrische Spielbanken in einem Bundesland gibt.
Die Länder könnten dann selbst klassische Casinospiele veranstalten oder Konzessionen an private Anbieter vergeben. Allerdings wurde an dieser Stelle auch die Befürchtung laut, dass ein Flickenteppich mit unterschiedlichen Konzessionsmodellen in den Bundesländern entstehen könnte.
Streit um Glücksspielsteuer: Die Kunden zahlen die Zeche
Noch bevor der GlüStV in Kraft trat, wurde im Juni das Gesetz zur Änderung des Rennwett- und Lotteriegesetzes und der Ausführungsbestimmungen zum Rennwett- und Lotteriegesetz beschlossen. Das Gesetz sieht die einheitliche Besteuerung von 5,3 % auf die Spielereinsätze beim virtuellen Automatenspiel und bei Online-Poker vor.
Damit unterscheidet sich das deutsche Besteuerungsmodell von jenen anderer Länder. Während in den meisten europäischen Ländern der Bruttoumsatz besteuert wird, müssen Anbieter unabhängig von ihren Gewinnen die Einsätze der Spieler versteuern.
Steuerexperten und Branchenvertreter protestierten scharf gegen diese Entscheidung, denn am Ende muss der Casinokunde die Rechnung zahlen. Ansonsten müssten die Betreiber mit Verlusten arbeiten.
Die Auszahlungsquote, die sogenannte RTP (Return to Player), liegt beim Automatenspiel durchschnittlich zwischen 95 % und 98 %. Bei einer Steuer von 5,3 % auf die Einsätze der Spieler müsste die RTP deutlich auf unter 90 % gesenkt werden. In Kombination mit dem festgelegten Höchsteinsatz von 1 Euro pro Spielrunde und der 5-Sekunden-Verzögerung macht die niedrigere RTP das Spiel für den Kunden deutlich unattraktiver.
Das Urteil der Experten ist vernichtend. So kommentierte der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Justus Haucap von der Universität Düsseldorf, dass die Kanalisierungsquote für Online-Spielautomaten und -Poker unter 50 % liegen werde. Die Spieler würden die Angebote von Casinos ohne Lizenz aus Deutschland bevorzugen.
Das Video erklärt die Besteuerung von Online Glücksspielen:
https://www.youtube.com/watch?v=HNOhOOYIPc8
Kritik kommt nicht nur von den Kunden und den Casinobetreibern, sondern auch von Verbänden. So bezeichnete der Deutsche Sportwettenverband (DSWV) die Gesetzgebung zum Rennwett- und Lotteriegesetz als „gefährlichen Sonderweg“ und „Steuer-Irrsinn“. Ähnlicher Ansicht ist auch der Deutsche Verband für Telekommunikation und Medien (DVTM).
Dr. Dirk Quermann, Präsident des Deutschen Online Casinoverbandes (DOCV), sagte, dass die Steuer nicht dafür geeignet sei, das legale Glücksspielangebot zu stärken. Das Gegenteil sei der Fall. Casinos ohne Lizenz aus Deutschland würden davon profitieren.
Gemeinsam mit der European Gaming and Betting Association (EGBA) hat der DSWV nun eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingereicht. Dort soll überprüft werden, ob ein Verstoß gegen das europäische Beihilferecht vorliegen könnte. Die Bundesregierung muss nun eine entsprechende Stellungnahme zu ihrem Steuermodell vorlegen. Das bedeutet, dass das letzte Wort in Bezug auf die Glücksspielsteuer noch nicht gesprochen ist.
Verzögerungen beim Lizenzierungsprozess
Seit dem Inkrafttreten des GlüStV sind bereits mehrere Monate ins Land gezogen. Casinokunden könnten daher davon ausgehen, dass es eine rechtliche Basis für ihr Spiel im Online Casino gibt und die Anbieter eine Erlaubnis besitzen, ihre Produkte auf dem deutschen Markt anzubieten.
Ein Blick auf die sogenannte White List, auf der alle in Deutschland lizenzierten Anbieter aufgeführt sind, sagt jedoch etwas anderes aus. So sind zwar zahlreiche Konzessionen an Sportwetten-Unternehmen vergeben, aber keine einzige an Betreiber von Online Casinos (Stand Oktober 2021).
Dass das Spiel im Online Casino dennoch legitimiert ist, dafür sorgt die sogenannte Duldungs- oder Übergangsphase. Die Bundesländer einigten sich bereits im September 2020 darauf. So sollen sich Glücksspiel-Betreiber, die an einer Lizenz in Deutschland Interesse haben, bereits mit dem Inkrafttreten des GlüStV an die Vorgaben anpassen.
Das bedeutet, dass die Casinos zwar keine deutsche Lizenz besitzen, aber durch das Erfüllen der Lizenzvorgaben bereits die Absicht vermitteln, eine Konzession zu beantragen. Für den Kunden ist dies allerdings verwirrend, denn es ist für jemanden, der sich weniger gut in der Branche auskennt, nur schwer festzustellen, ob ein Anbieter legal aktiv ist.
Viele offene Fragen
Zahlreiche Aspekte sind derzeit noch nicht vollständig geklärt. So gibt es noch Klärungsbedarf in Bezug auf die Werbung. Während es im Fernsehen oder im Radio nicht problematisch ist, Werbebotschaften nur zu bestimmten Zeiten auszustrahlen, ist dies im Internet nicht so einfach, denn Werbebanner oder Posts in den sozialen Netzwerken können schließlich nicht einfach ein- und ausgeschaltet werden.
Ein weiteres Problem ist die Regulierungsbehörde. Diese ist noch nicht vollständig handlungsfähig. Es wird damit gerechnet, dass die Behörde erst am 1. Januar 2023 ihre Arbeit aufnehmen wird.
Eine zentrale Frage ist auch, ob das Gesetz und die Besteuerung des Glücksspiels überhaupt mit der europäischen Gesetzgebung übereinstimmen. Es ist denkbar, dass der GlüStV möglichen Klagen von Glücksspiel-Konzernen nicht standhält. Bei der gerichtlichen Feststellung einer Inkohärenz könnte der gesamte Glücksspielstaatsvertrag in sich zusammenfallen.
Was bis dahin geschieht, ist derzeit kaum absehbar. Zwar sollen Medienberichten zufolge einige große Konzerne ihr Interesse an einer deutschen Lizenz bekundet haben, allerdings sei auch angemerkt worden, dass das Geschäft wegen der restriktiven Vorgaben nicht besonders lukrativ sein werde.